Der ständige Balanceakt im Klinik- und Praxisalltag
Führungskräfte im Gesundheitswesen stehen unter enormem Druck. Pflegedienstleitungen, Ärztinnen und Ärzte und einige der Angestellten jonglieren täglich mit vielfältigen Erwartungen: Das Team braucht Unterstützung, Patientinnen und Patienten müssen optimal versorgt werden, Vorgesetzte fordern Ergebnisse, und der medizinische Versorgungsauftrag muss erfüllt werden. In dieser Gemengelage bleibt oft wenig Raum für die eigene Work-Life-Balance. Doch wie kann man sich vor Überlastung schützen, wenn der Druck von allen Seiten kommt?
Der Circle of Influence: Ein Werkzeug für mehr Ausgeglichenheit
Ein hilfreiches Modell, um mit diesen Herausforderungen umzugehen, ist der Circle of Influence (Kreis des Einflusses) von Stephen R. Covey. Er hilft dabei, die eigenen Energiequellen gezielt einzusetzen und sich nicht von Dingen zermürben zu lassen, die außerhalb unserer Kontrolle liegen.
Covey unterscheidet drei Bereiche:
- Circle of Influence (Einflussbereich): Alles, worauf wir direkt Einfluss nehmen können – zum Beispiel unsere Kommunikation, Entscheidungen oder Priorisierungen.
- Circle of Concern (Sorgebereich): Dinge, die uns betreffen, aber nur begrenzt beeinflussbar sind, wie Personalmangel oder organisatorische Vorgaben.
- Außerhalb unseres Einflussbereichs: Entwicklungen, die wir nicht steuern können, wie politische Entscheidungen oder wirtschaftliche Rahmenbedingungen.
Wenn Führungskräfte bewusst den Fokus auf den Circle of Influence legen, können sie konkrete Handlungsschritte ableiten – das hilft dabei, sich nicht von äußeren Zwängen lähmen zu lassen. Und wieder eine höhere Work-Life-Balance zu erreichen.
Praxisbeispiel: Entlastung durch Fokus auf den Einflussbereich
Eine leitende Pflegekraft, die ich als Business Coach begleitet habe, war am Limit. Sie hatte das Gefühl, es allen recht machen zu müssen: dem Team, das unter Personalmangel litt, dem ärztlichen Team, das schnelle, klare Kommunikation forderte, der Pflegedienstleitung, die mehr Effizienz verlangte, und den Patient:innen samt ihrer Angehörigen, die natürlich eine bestmögliche Versorgung erwarten.
Sortierung der Herausforderungen nach dem Circle of Influence:
Direkter Einfluss: Klare Kommunikation mit den Teams, Delegation von Aufgaben, Setzen realistischer Grenzen.
Begrenzter Einfluss: Die Personalsituation – sie kann selbst keine neuen Stellen schaffen, aber konstruktive Lösungen mit der Klinikleitung erarbeiten.
Kein Einfluss: Gesundheits- und Krankenhauspolitik – sie kann sich darüber ärgern, aber es kostet nur Energie, ohne dass sich etwas ändert.
Das Ergebnis? Mehr Klarheit, konkrete Handlungsschritte und eine spürbare Entlastung im Alltag, und so auch eine verbesserte Work-Life-Balance. Indem sie ihre Energie auf ihren direkten Einflussbereich konzentriert hat, gewann sie wieder Handlungsspielraum und konnte ihre eigenen Ressourcen besser schützen.
Wie andere Berufsgruppen davon profitieren können
Nicht nur Pflegende oder Ärzt*innen profitieren von diesem Ansatz. Auch in der Apotheke, der Physiotherapie, im Sozialdienst oder in der Verwaltung können Führungskräfte mit diesem Modell bewusster entscheiden, worauf sie ihre Energie richten.
Zum Beispiel kann eine Praxismanagerin beeinflussen, wie sie Abläufe organisiert und mit dem Team kommuniziert. Sie kann sich weniger mit ihrem Ärger über hohe Krankheitsausfälle beschäftigen – denn darauf hat sie nur begrenzten Einfluss – und stattdessen früher auf Verstärkung oder Umstrukturierung setzen.
Fazit: Handlungsspielraum erkennen und nutzen
Der Alltag im Gesundheitswesen ist fordernd, aber wir haben mehr Einfluss, als es manchmal scheint. Der Circle of Influence hilft, klare Prioritäten zu setzen, Energie gezielt einzusetzen und die eigene Work-Life-Balance zu verbessern.
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Fotocredit: Lumpi von Pixabay